Interview mit Maka Chkaidze: Wie kulturelle Initiativen die öffentliche Wahrnehmung verändern und Chancen für mehr Akzeptanz und Inklusion schaffen können.
Maka Chkaidze ist Teilnehmerin des Projekts „Gemeinsame Sprache finden“, Kulturmanagerin und Gründerin von InForm – Platform for Inclusive Minds. In diesem Interview gibt Maka Chkaidze einen aufschlussreichen Überblick über den aktuellen Stand der Inklusion in der georgischen Kunstszene. Sie spricht sowohl über die Herausforderungen, mit denen Künstler:innen mit Behinderung konfrontiert sind, als auch über das Potenzial der Kunst, eine inklusivere Gesellschaft zu fördern.
Können Sie uns einen Überblick über die aktuelle Situation der Inklusion in der georgischen Kunstszene geben? Wie wichtig ist die Beteiligung von Menschen mit Behinderungen?
Die inklusive Kunstszene in Georgien ist herausfordernd und komplex. Leider gibt es bisher keinen institutionalisierten Ansatz, der die Teilhabe von Menschen mit Behinderung am kulturellen Leben des Landes sicherstellt; dies beruht bisher auf individuellen oder zivilgesellschaftlichen Initiativen. Menschen mit Behinderung haben nach wie vor keinen Zugang zu einer formalen professionellen Kunstausbildung und sind im Kunstsektor nicht vertreten. In den letzten Jahren sind jedoch einige Initiativen entstanden, die es Menschen mit Behinderung ermöglichen, an inklusiven Kunstprojekten und Aufführungen teilzunehmen. Das hat eine wunderbare Wirkung auf die Lebensqualität von Menschen mit Behinderung, aber gleichzeitig drängt es sie in eine sehr enge Nische und nicht in die allgemeinen kulturellen Prozesse.
Jeder Mensch sollte das Recht haben, sich in der Disziplin auszudrücken, die ihn begeistert. Die Künste, insbesondere die darstellenden Künste, sind eine wunderbare Möglichkeit für Menschen mit Behinderung, direkt mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren und ihrer Stimme Gehör zu verschaffen. Gleichzeitig ist die Einzigartigkeit, die Künstler:innen mit Behinderung durch ihre Erfahrungen, Perspektiven und Visionen in die Kunstwelt einbringen, äußerst wertvoll, um die Kunst zu bereichern und ein neues Verständnis für ihre Vielfalt zu schaffen.
Mit welchen spezifischen Herausforderungen sind Menschen mit Behinderung in der georgischen Kunstszene konfrontiert? Gibt es strukturelle oder kulturelle Barrieren, die besonders schwer zu überwinden sind?
Menschen mit Behinderung stoßen auf allen Ebenen des Lebens auf Schwierigkeiten, angefangen von unzugänglicher Infrastruktur bis hin zum Ausschluss aus dem allgemeinen Kunstdiskurs. Die öffentliche Wahrnehmung nimmt jedoch relativ schnell zu, es gibt mehr Befürworter:innen als Gegner:innen des Inklusionsgedankens in der Kunstszene. Eine Herausforderung bleibt jedoch der Mangel an Wissen und Erfahrung unter Künstler:innen im Umgang mit Menschen mit Behinderung.
Ich habe meine Organisation InForm – Platform for Inclusive Minds gegründet, um die Lücke zwischen den Gemeinschaften von Menschen mit Behinderung und der Kunst zu schließen, eine Brücke zu schlagen und einen sicheren und komfortablen Raum für beide Seiten zu schaffen, um künstlerisch zu experimentieren, sich kennenzulernen und Ideen zu entwickeln, wie diese Zusammenarbeit Teil des künstlerischen Lebens werden kann.
Wie hat sich die Wahrnehmung und Akzeptanz von Menschen mit Behinderung in der georgischen Kunstszene in den letzten Jahren verändert? Sehen Sie Fortschritte in der öffentlichen Wahrnehmung und Unterstützung?
Aus unserer Erfahrung kann ich sagen, dass die Menschen in der Kunstszene zunehmend bereit sind, mit behinderten Künstler:innen zu arbeiten und zusammenzuarbeiten, und ich sehe definitiv Fortschritte in der öffentlichen Wahrnehmung. Die Reaktion des georgischen Publikums ist eines der wertvollsten Ergebnisse der Projekte, an denen ich arbeite. Leider ist die Wahrnehmung der Fähigkeiten und Talente von Menschen mit Behinderung in den darstellenden Künsten immer noch sehr gering. Wir sind eher skeptisch, was die Qualität und den künstlerischen Wert der Kunstwerke von Menschen mit Behinderung angeht, so dass die Zuschauer:innen die inklusiven Aufführungen eher aus karitativen Gründen besuchen, als dass sie hohe künstlerische Qualität erwarten. Die Reaktionen des Publikums nach unseren Aufführungen zeigen jedoch, dass sich diese Wahrnehmung ändert.
Das Publikum wird Teil der Aufführung, in der die Barriere zwischen behinderten und nicht behinderten Mitwirkenden verschwindet. Jede:r auf der Bühne ist Teil eines gemeinsamen harmonischen Flusses, jede:r kann seine Fähigkeiten, Talente und Möglichkeiten zum Ausdruck bringen und jede:r hat eine einzigartige Rolle bei der Gestaltung der gesamten Aufführung. Die meisten Zuschauer:innen sagen mir, dass die Aufführungen einen unvergesslichen Eindruck bei ihnen hinterlassen haben und dass sie begonnen haben, über Themen nachzudenken und sie zu analysieren, die weit über Fragen der Integration und Inklusion hinausgehen und sehr wertvolle Aspekte unseres Lebens berühren. Genau das ist mein Wunsch – dass das Publikum nicht nur die Themen der Inklusion sieht, sondern auch die tieferen Schichten der Beziehung zwischen Gesellschaft und Individuum erkennt.
Foto: Noy Stepanyan